Das Gespräch zwischen Alice Weidel und Elon Musk auf X war mehr als eine Unterhaltung – es entblößte einerseits erneut deutlich die Schwächen der AfD und zeigte andererseits, wie gezielt digitale Plattformen genutzt werden, um populistische Narrative zu verbreiten. Ein Ereignis, das mit 200.000 bis 210.000 Live-Zuschauern zwar weniger Interesse weckte als die Samstagabendunterhaltung im deutschen Fernsehen, aber dennoch nicht ignoriert werden konnte. Im Gespräch meanderte Alice Weidel zwischen Musk-Fangirl-Momenten und Schreckensbotschaften aus „Germany“, einem Land, das – glaubt man der AfD-Chefin – von Unsicherheit, wirtschaftlichem Niedergang und bildungspolitischer Orientierungslosigkeit geprägt ist – also ein Land, das so nur in den Erzählungen der AfD existiert. Auch fabulierte Weidel über ein Bildungssystem, das sich ausschließlich um „Genderstudies“ drehe. Dissoziationen, die stellenweise selbst Musk verwirrten.

Wer dabei nicht davor zurückschreckte, dem unangenehmen Gespräch aufmerksam zu folgen – entgegen dem inneren Wunsch nach einem Klick auf das X im Browserfenster – begegnete nicht nur den Klassikern schlechter Deep Talks jenseits von Wissen und Fakten und der vertrauten Geschichtsvergessenheit einiger AfD-Spitzenpolitiker, sondern auch denkwürdigen Momenten der Selbstentzauberung. Denn Weidels Auftritt, der neben viel anstrengendem Smalltalk mit historischen Falschdarstellungen und ideologischen Widersprüchen gespickt war, ließ auch die intellektuelle Leere der AfD immer wieder wie unter dem Brennglas aufblitzen.

Eine Plattform für populistische Erzählungen

Die Bühne, die Musk Weidel bot, zeigte nicht nur, wie Plattformen zur Verbreitung verzerrter Narrative genutzt werden können, sondern auch, wie solche Gespräche internationale Wahrnehmungen beeinflussen. Mit seiner Reichweite von über 200 Millionen Followern auf X verschaffte Musk Weidel zunächst einmal eine Aufmerksamkeit, die für die AfD unbezahlbar ist, von der folgenden medialen Berichterstattung einmal ganz abgesehen.

Musk, der sich inzwischen unverblümt als Verstärker populistischer Narrative positioniert, nutzt seine Plattform und persönliche Reichweite gezielt, um Inhalte und Akteure zu fördern, die polarisierende Positionen vertreten. Seine regelmäßige mediale Unterstützung für politische Bewegungen wie die AfD hat ihn zu einer zentralen Figur im globalen Populismus gemacht. Als Kurator einer neuen Form politischer Öffentlichkeit kombiniert Musk wirtschaftliche Macht mit ideologischer Einflussnahme – eine gefährliche Dynamik, die wesentlich zur Normalisierung extremer Ansichten beiträgt.

Die Bundestagsverwaltung kündigte vor diesem Hintergrund gar an, zu prüfen, ob es sich bei diesem Auftritt um eine unerlaubte Parteispende handeln könnte – schließlich gleicht die globale Aufmerksamkeit einer massiven Wahlkampfhilfe. Musk selbst nutzte das Gespräch erneut, um für die AfD zu werben, und betonte, die Positionen der „Alternative for Germany“ seien nichts anderes als „gesunder Menschenverstand“.

IDEOLOGIE IN WIDERSPRÜCHEN

Das Gespräch offenbarte jedoch auch bemerkenswerte Diskrepanzen. Während Musk die Vorteile erneuerbarer Energien hervorhob, kritisierte Weidel den deutschen Fokus auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Technologien. Sie vermied es zudem, auf frühere Aussagen einzugehen, in denen sie Elektroautos, wie jene ihres Gastgebers, als „Sondermüll“ bezeichnet hatte. Stattdessen stimmte sie Musk eifrig zu, als dieser die deutsche Bürokratie und den Atomausstieg angriff.

Einen bemerkenswerten Tiefpunkt markierte Weidels Behauptung, Adolf Hitler sei ein „Kommunist“ gewesen – eine Aussage, die nicht nur historisch falsch ist, sondern als gezielter Versuch gewertet werden kann, die Grenzen bei der Manipulation historischer Narrative in Richtung fiktionale Realitäten zu verschieben. Musk, der sich hörbar wohlfühlte in seiner Rolle als Moderator und Verstärker, nannte Weidel „vernünftig“ und bezeichnete die AfD erneut als die einzige Partei, die „Deutschland retten könne“.

Ein verzerrtes Deutschlandbild

Weidels Darstellung eines Deutschlands im Niedergang ist nicht neu, wurde aber durch die Plattform X auf eine globale Bühne gehoben. Die Geschwindigkeit, in der verstärkt durch soziale Medien Parallelrealitäten konstruiert werden, steigt. Während Institutionen wie das Auswärtige Amt und die Deutsche Welle erhebliche Ressourcen investieren, um ein faktenbasiertes und differenziertes Bild Deutschlands zu vermitteln, zielen Angst- und Zerrbilder wie Weidels Narrative über ein Deutschland im Untergang auf das Gegenteil.

Denn diskutiert wurde nur, was die bekannten Kernbotschaften der AfD unterstützte. So wurde fein für die Zuhörenden und Zusehenden kuratiert, welche herbei fantasierten Krisen als existenziell für Weidel und Musk einzuordnen sind. Von dem tatsächlichen Tagesgeschehen und globalen Krisen sprach man nicht. So verschwanden, während Weidel und Musk sich über die deutsche Bürokratie amüsierten und philosophische Themen wie die Existenz Gottes streiften, reale Herausforderungen langsam hinter einer Reihe routiniert abgespulter populistischer Phrasen und vorhersagbarer Narrative.

DIE NORMALISIERUNG DES EXTREMEN

Und dennoch wirkte das Gespräch auf den ersten Blick über große Strecken geradezu harmlos – fast banal. Ein Zufall ist das nicht. Denn gerade diese im Banalen vorgetragene Gedankenwelt schützt bisher das wachsende Reich alternativer Realitäten der AfD vor der drohenden Prüfung realpolitischer Herausforderungen. Und ganz nebenbei normalisiert sie extreme Positionen, soll den Populismus salonfähig machen. Während globale Probleme wie die Klimakrise oder soziale Ungleichheit ausgeblendet wurden, verstärkte das Gespräch Fehlinformationen und ideologische Verzerrungen.

Quo vadis faktenbasierte Öffentlichkeit?

Das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel auf X war weit mehr als ein oberflächlicher Austausch: Es zeigte, wie digitale Plattformen gezielt genutzt werden können, um politische Narrative zu verbreiten und zu verstärken. Dabei wurden nicht nur bestehende Fehlinformationen und manipulierte Wirklichkeitskonstrukte Weidels „The AfD“ normalisiert, sondern auch extreme Positionen in den globalen Diskurs eingeführt.

Die Kombination aus Plattformmacht und populistischer Propaganda hat dabei das Potenzial, die internationale Wahrnehmung eines Landes zu verzerren und demokratische Prozesse dort zu untergraben, wo sich die Populisten Vorteile für ihre Angst-Agenda erhoffen. Wie solche Inszenierungen reale Probleme überdecken und stattdessen polarisierende Inhalte in den Vordergrund rücken, zeigte die unbeirrte Ignoranz der beiden scheinbar über Aktuelles Plaudernden gegenüber den zahlreichen Konflikten und Herausforderungen, die den Rest der Welt beschäftigen.

Es bleibt die Frage, wie Demokratien solchen Entwicklungen begegnen können – und ob es gelingen wird, den öffentlichen Diskurs in eine faktenbasierte, lösungsorientierte Richtung zu lenken. Denn was auf den ersten Blick wie ein harmloser Schlagabtausch wirkt, hat das Potenzial, langfristige gesellschaftliche Auswirkungen zu entfalten.

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