Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam. Erschienen im C.H. Beck Verlag in München, 2011, kostet die gebundene Ausgabe 19,95 EURO

Der Preußenkenner und Helmut Kohl-Analytiker Patrick Bahners kann nicht nur ohne Punkt und Komma (oder Überschriften) schreiben, ohne sich dabei auch nur annähernd eines schlechten Stils verdächtig zu machen. Er ist vielmehr ein Meister der gepflegten Streitschrift, eine Fähigkeit, die ihm als erfahrener Feuilletonist hilft, bereits in zahlreichen Schlagabtauschen wichtige Punkte zu machen. Nun wagt der Kulturchef in seinem neuesten Werk, Die Panikmacher, angesichts einer aufgeregten Debatte einen 320 seitigen Widerspruch, der sich an jene Gruppe lauter Intellektueller richtet, die er als die sogenannte Islamkritische Internationale definiert.

Bahners ist sicher: Die Gruppe der sogenannten Islamkritiker um Henryk Broder, Ralph Giordano, Ayaan Hirsi Ali, Alice Schwarzer und Thilo Sarrazin folgt keinen Grundsätzen, die einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung würdig wären. Vielmehr setzten sie ihre Glaubenssätze selbst, versicherten sich gegenseitig antiislamischer Ressentiments, teils unterfüttert mit offenem Rassismus. Doch diese gebetsmühlenartig wiederholten Glaubenssätze müsse man widerlegen, die Wiedersprüche der Islamkritiker offenlegen, dem deutschen Diskurs den Glauben an die Werte der Aufklärung wiedergeben, da ist Bahners sicher. Er versucht das, indem er den Diskurs analysiert, der auf die Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff am zwanzigsten Jahrestag der Wiedervereinigung folge. „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“ sei reine Deskription, zudem mit einem schwachen, unverbindlichen Verb – “gehören” – versehen. Nach einem Verweis auf Wolfgang Schäubles wesentlich früher und deutlicher geäußerte Aussage, die im Wesentlichen undiskutiert blieb, beginnt Bahners mit der Aufarbeitung dessen, was Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ mit dem deutschen Diskurs gemacht hatte. Und dies sei nichts weniger, so befürchtet Bahners, als die Wiedererweckung des Phantasmas der ethnisch homogenen Republik.

Dabei leugnet Patrick Bahner keineswegs die zahlreichen Integrationshemmnisse, die sich auf die religöse Kultur des Islam zurückführen lassen, redet nicht die Herausforderungen klein, vor der die deutsche Gesellschaft angesichts ihres Haders mit den Mühen der Einwanderungsgesellschaft steht. Ihn stört vielmehr der Ton, den die sogenannten Islamkritiker, die Bahners während seines Streifzuges durch die geistigen Gefilde der “Panikmacher” als internationale Bewegung enttarnt, der Debatte gegeben haben. Dabei geht es in alter bildungsbürgerlicher Manier vor: Er verweist auf das Grundgesetz, die Werte und Denkansätze der Aufklärung und stellt aktuelle Herausforderungen, die unsere Debatte heißlaufen lassen, in einen historischen Kontext.

Doch es ist in erster Linie die tiefe Analyse, die “Die Panikmacher” lesenwert macht: Bahners sieht in den Islamkritikern säkularer westlicher Gesellschaften eine schreibende Eingreiftruppe. Ihren Modus anlysiert Bahners als eine öffentliche (Dauer-)Empörung, einen zum unfreiwilligen Klischee geronnen Habitus des Intellektuellen, der sich im Falle der Islamkritiker gegen eine gesellschaftliche Gruppe richte. Der Humanismus der Islamkritiker, so schließt er weiter, sei ein militanter. Hinter der scheinbar gerechten Empörung, dem (un)heiligen Zorn der Aufklärung, lauert das Ressentiment (oder wird entfesselt), zirkuläre Interpretationen ausklärerischer Logik führten die Islamkritiker in Logiken der Verdachts, am Ende steht die Verschwörungstheorie. Beispielhaft für die von Bahners monierten inneren Wiedersprüche, im Mantel der Religionskritik aufgewärmten rassistischen Resstiments, die in seiner Analyse zu verbindenden Elementen einer Bewegung werden, führt er Biographien einzelner Islamkritiker auf. Und so erinnert man sich, während man Bahners Ausführungen folgt, an die Tiefpunkte der Necla Kelek, die in der “Bild”-Zeitung Thilo Sarrazin beispringt, und dessen “klare Worte” lobt, während sie gleichzeitig seine Kritiker als “übliche Verdächtige”, und die “Fraktion der Gutmenschen” diffamiert. Und hier wird Bahners zum Medienkritiker. Er zeigt, wie Presse und Rundfunk zur Echokammer dieser scharfen Rhetorik, und so zu einem Hort des neugekleideten, neuformulierten, doch altbekannten Ressentiments werden. Das Necla Kelek in ihren Zeiten als Wissenschaftlerin (Dissertation: „Islam im Alltag“, 2002) noch Gegenteiliges bewies, Möglichkeiten von muslimischer Integration darstellte, ist nur eine von Bahners Gelegenheiten, die Islamkritikerin des inneren Widerspruchs zu überführen.

Patrick Bahners ist ein leidenschaftlicher Verteidiger der bürgerlichen Gesellschaft, der Glaube an den zivile Fortschritt ist Grundaxiom seines Weltbildes. Nicht immer gibt die Realität seinem positiven Menschenbild recht. Und so kann man seinen Idealismus auch als Verteidigungsschrift der offenen Gesellschaft lesen, der bürgerliche Freiheiten auch nicht angesichts großer Herausforderungen (die Bahners nicht leugnet) aufgibt. Auch die Untergangsszenarien der bedroht geglaubten “westlichen Zivilisation” entlarvt Bahners als Phantasterei, und zieht Parallelen zu historischen Angstkulturen gegenüber geschlossenen Gruppierungen. Und er stellt dieser theoretischen Schule, die alle Phänomene von Einwanderungsgesellschaften auf eine Ursache, den Islam, zurückführen möchte, das bunte Potpourri von Gründen abseits der religionszentrierten Deutungsmuster vor, dass zu Abgrenzung, zu Parallelgesellschaften führen kann, vor. Integration ist keine Einbahnstraße, ruft er den Verfechtern der “Bringschuld” zu. Zur Abgrenzung, zu jener immer häufig thematisierten Bildung von Parallelgesellschaften gehörten immer zwei Seiten. Schon allein dieser Ansatz macht sein Werk zur Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, welche Perspektiven die Debatte um den Islam und dessen Kritik sich abseits der aufgeregten Debatten unserer Zeit verbergen.

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  • Good Reads (V)_Joshua_Tewalt: © Joshua Tewalt