Wir können die AfD stoppen – mit offener und kluger politischer Kommunikation

Rezepte gegen den besorgniserregenden Rechtsdruck in Wahlumfragen gibt es viele. Die jüngste Diskussion um die Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene zeigt jedoch, dass einige ganz grundsätzliche Erkenntnisse über den Umgang mit den wiedererstarkten nationalistischen Kräften auch von einigen politischen Profis gegenwärtig vergessen wurden.
Denn statt die AfD auf wirksame Weise zu entlarven, lassen sich die demokratischen Parteien immer wieder von taktischen Überlegungen leiten. Und das bewirkt paradoxerweise oft das Gegenteil.

Es wäre beinahe angebracht, der AfD Anerkennung zu zollen. Ohne eigenes Zutun, ohne irgendein nachvollziehbares Kommunikationskonzept dominierte die Partei in den vergangenen Wochen die politische Diskussion. Union, SPD, Grüne und FDP scheinen uneins, wie genau sie mit Vertretern der extremen Rechten auf kommunaler Ebene umgehen sollten und ob ihre Mitglieder “sinnvollen” Anträgen der AfD zustimmen könnten.

Es erforderte den denkwürdigen Parteitag der selbsternannten Alternative für Deutschland zur Europawahl, um wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken: Die wirkliche Gefahr, die von der AfD ausgeht, beschränkt sich nicht auf Abstimmungen im Gemeinderat über eine Umgehungsstraße!

Während ihrer Europawahlversammlung wurden erneut jene nationalistischen und völkischen Töne laut, die mittlerweile weite Teile der Partei beherrschen. Armin Laschet merkte dazu treffend auf X, ehemalig Twitter, zur Rede von Björn Höcke in Magdeburg an: “Man muss diese Typen nur im Originalton reden lassen: Höcke will das Versöhnungswerk, das Konrad Adenauer und Helmut Kohl aufgebaut haben, sterben lassen.” Armin Laschet hat recht: Es ist genau dieser Originalton, der latent menschenfeindliche Ansichten in der AfD offenbart.

Denn deren (Spitzen-)Politiker:innen bekämpfen inzwischen ganz offen Liberalität und Offenheit gegenüber der Welt, essenzielle Pfeiler des deutschen Erfolgsmodells.

Wer aus Sorge um eine bessere Zukunft zur AfD tendiert, potenziert diese Gefahr. Diesen Umstand herauszustellen, ist der Schlüssel zur Eindämmung der AfD. Ihr komplettes Verschwinden mag unwahrscheinlich sein, denn sie verfügt über eine stabile Wählerschaft, die von den demokratischen Parteien kaum noch zu erreichen ist. Nun muss jedoch um diese zehn Prozent der Wählerschaft, die laut Umfragen seit den Bundestagswahlen zur AfD gewechselt sind, gekämpft werden.

Bislang geschieht dies nur unzureichend – wie die kontinuierlich steigende Zustimmung für die AfD zeigt. Allzu oft steht der sogenannte Kampf gegen die AfD im Schatten parteitaktischer Eigeninteressen. Die Union kritisiert vor allem die Grünen, indem sie behauptet, deren Pläne für Klimaschutz und gesellschaftlichen Wandel würden die Bürger abschrecken und zur AfD treiben. Auch wenn man Gesetze zur Heizung oder die Einführung gendersensibler Sprache kritisch sehen kann, ist der Verweis auf die AfD kaum mehr als eine Empfehlung, sie als Ventil für Protest zu nutzen, und somit unnötig.

Dasselbe trifft in umgekehrter Richtung zu. Grüne neigen allzu oft dazu, Kritik an ihrer Politik als vermeintliche Unterstützung der AfD abzutun. Hier ist das Gegenteil wahr: Die Union muss die Rolle der dominierenden Opposition einnehmen, um der AfD diese Rolle zu entziehen. Doch der Versuch, AfD näherzurücken, verfolgt nur kurzfristige und eigennützige politische Interessen.

Gemäß zahlreicher Untersuchungen gibt es praktisch keine Überschneidungen zwischen den Wählerschaften der Grünen und der AfD. Daher wird die AfD von den Grünen keine neuen Wähler gewinnen. Dennoch können die Grünen versuchen, die in der Mitte verankerten Wähler von der Union abzuziehen. Die laute Kritik, die CDU rücke unter Parteichef Friedrich Merz zu weit nach rechts, mag den Grünen zugutekommen – sie wird jedoch nicht dazu führen, dass die AfD schrumpft.

Sowohl die Union als auch die SPD müssen sich den Sorgen stellen, die viele Wähler zur AfD getrieben haben. Olaf Scholz hat kürzlich treffend bemerkt, es sei die Angst vor sozialem Abstieg und Wohlstandsverlust, die Unsicherheit, ob die Zukunft besser sein wird als die Gegenwart, die Wähler in Scharen in die Hände der Populisten von Rechts treibt. Gefordert ist hier, den Optimismus der progressiven Bewegung, der Gründergeist der SPD wiederzubeleben, bewährt als Schild gegen die Extremisten befeuernden Härten bewegter Zeiten.

Weniger Tradition hat die deutsche Sozialdemokratie im Umgang mit den ungebrochen drängenden Herausforderung nicht ausgereifter Konzepte zum Umgang mit Migration. Denn auch hier ist Schweigen keine Lösung. Ein Fehler der vergangenen Jahre war es zu glauben, dass das Ignorieren von Problemen dazu führt, dass sie verschwinden. Leicht zu erkennen ist dies auch beim Blick zu unseren europäischen Nachbarn.

Wer es der AfD überlässt, bestimmte Missstände anzusprechen, darf sich nicht wundern, wenn die Wähler Lösungen eben dort vermuten. Die Distinktion muss im Stil und Ton erfolgen.

Und auch darin, dass die demokratischen Parteien Lösungen bieten, während die AfD nur Vorurteile schürt. Und diese erfordern harte programmatische Arbeit und einen Diskurs, der von positiver Fehlerkultur und Offenheit basiert.

Grundsätzlich gilt: Demokratische Parteien arbeiten nicht mit der AfD. Wer behauptet, dass die CDU diese Position grundsätzlich unterlaufen möchte, betreibt Populismus. Die starke parteiinterne Kritik an Friedrich Merz‘ Überlegungen zeigt, dass die Mehrheit innerhalb der CDU sich stärker von der AfD abgrenzt, als viele notorische Kritiker der Christdemokraten gerne zugeben.

“Wehret den Anfängen!” Diese Lehre aus der Deutschen Geschichte ist wichtig, und darf gerade jetzt lebendiges Geschichtsbewusstsein fordern. Ins Absurde abdriftete Diskussionen über gemeinsames Vorgehen auf kommunaler Ebene zwischen der afD und den demokratischen Parteien gehört jedoch nicht dazu. Insbesondere die Grünen suchten akribisch nach Beispielen, in denen CDU-Kommunalpolitiker irgendwo mit AfD-Vertretern stimmten. Am Ende dieser ziellosen Reihe wechselseitiger Vorwürfe steht die Erkenntnis, dass auch Mitarbeitende der Grünen zusammen mit der AfD gestimmt haben, und die Erkenntnis, dass der Schaden wieder einmal allen demokratischen Parteien, der Demokratie selbst zukommt.

Denn das Einzige, was aus dieser Debatte bei den Bürgern hängen bleibt: Die AfD scheint – zumindest kommunal – vernünftige Anträge zu stellen. Und die demokratischen Parteien blockieren, lavieren und streiten. Hierbei wäre das Gegenteil von Bedeutung: nicht die positiven Ausnahmen kommunaler Politik der AfD hervorzuheben, sondern die regelmäßigen extremistischen Entgleisungen und den verschwörungstheoretischen Wahn- und Unsinn der Nationalisten in den Parlamenten zu beleuchten.

Dabei hilft, wie Eingangs erwähnt: Der verfassungsfeindliche Flügel der AfD geht offen mit seinen antidemokratischen Ansichten um. Und diese Hässlichkeiten müssen, so unangenehm das der politischen Konkurrenz aus nachvollziehbaren Gründen ist, den Wählerinnen und Wählern nun regelmäßig vorgeführt werden.

Die sich als Feigenblatt in den Dienst der Scharfmacher stellenden ‘Realpolitiker’ der nationalistischen Partei müssen dagegen ignoriert werden – zumindest wenn die demokratischen Parteien eine kluge Kommunikationsstrategie gegen die AfD anstreben.

Und: Politische Fehler einzugestehen und gleichzeitig auf die Unwählbarkeit der extremistischen vermeintlichen Protestpartei AfD hinzuweisen, das darf nicht als Widerspruch gesehen werden, will man dem ausufernden Erfolg der Extremisten wirksam entgegentreten.

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Bildquellen

  • J.D.´s Notes – Joshua Tewalt – THE LATE MODERN: Joshua Tewalt