Armin Pfahl-Traughber: Die AfD und der Rechtsextremismus: Eine Analyse aus politikwissenschaftlicher Perspektive. Erschienen im Springer VS, Wiesbaden, 2019, ‎60 Seiten, Taschenbuch: 14,99 EUR

Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Herausgeber des “Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“ (JET) stellt die Extremismusfrage: Diese steht nach den jüngsten Entwicklungen in der einst eurokritischen Partei immer drängender im politischen Raum. Seine solide politikwissenschaftliche Vorgehensweise strukturiert die neuste Publikation des Politikwissenschaftlers und Soziologen sauber von Basisinformationen, grundlegenden Definitionen und Untersuchungskriterien über eine Sammlung von rechtsextremistischen Aussagen von AfD-Funktionsträgern bis zur Einbettung der Untersuchung in Kontexte zum neueren und früheren Erscheinungsformen des Rechtsextremismus. Sie endet mit Pfahl-Traughbers Einschätzung der Oppositionspartei hinsichtlich der Extremismusfrage.

Nach der Definition des Untersuchungskriteriums Rechtsextremismus beginnt schnell der Einstieg in die bisherige Geschichte der aktuell drittstärksten Partei im Bundestag. Diese fällt besonders hinsichtlich der Gründungsideale der AfD recht mager aus. Pfahl-Traughber erkennt an, dass die Partei aus dem Versuch entstand, der Kritik vieler Wirtschaftswissenschaftler hinsichtlich der Eurorettungspolitik der Bundesreigerung unter Angela Merkel aktiv in den politischen Diskurs zu tragen. Zu diesen Wissenschaftlern, so beschreibt es Pfahl-Traughber weiter, zählte unter anderem der Volkswirt Bernd Lucke. Es sei relativ schnell gelungen, arbeitsfähige Strukturen zu etablieren. Der Personenkreis der Gründungsmitglieder sei insgesamt liberal- und nationalkonservativ ausgerichtet gewesen und habe sich als “Sammelbewegung” jenes Spektrums verstanden. Hier endet die politikwissenschaftliche Einordnung, der Autor geht dazu über, die Entwicklung der neugegründeten Partei in Zahlen nachzuzeichnen.

 Es folgt eine Analyse des sogenannten “Rechtsrucks” in der Partei, welcher aus dem sogenannten Führungsstreit entstanden sei. Pfahl-Traughber erkennt hier drei abgrenzbare Flügel in der Partei, welche im Führungsstreit zunächst Fruauke Petry nominiert hätten. Der Rücktritt Frauke Petrys 2017 habe jedoch eine erste Welle gemäßigter Mitglieder zum Austritt bewegt und in diesem Zuge den rechten Flügel der Partei gestärkt. Die AfD sei damit weiter rechts der Unionsparteien zu positionieren. Es gäbe und gibt, so stellt der Autor im Anschluss einschränkend fest, “erhebliche Differenzen, Konflikte und Umbrüche” in der Partei. Damit sei die Zu- und Einordnung der AfD weiterhin nicht leicht. Im Anschluss folgt eine gut strukturierte Sammlung (rechts-)extremistischer Äußerungen hoher Funktionsträger der AfD, der dieses Buch zu einer sehr wertvollen Momentaufnahme des mit der Partei verbundenen Diskurses macht. Erschreckend sind Abwertungen von Individualrechten, rassistische Positionen, demokratiefeindliche Äußerungen und die Propagierung eines “Systemwechsels”, die der Autor sorgfältig zusammengetragen, analysiert und eingeordnet hat. Auch Antisemitismus und Realtivierung der NS-Vergangenheit kann er der Partei nachweisen. Es folgt ein Versuch, Kontexte der Partei zum Rechtsextremismus zu erörtern. Auch wenn Pfahl-Traughber hier oberflächlich bleibt, ist seine Analyse auch hier treffend. Bezugnehmend auf seine bereits 2014 getroffene Einschätzung und auf Äußerungen in der jüngsten Vergangenheit ausgetretener Mitglieder stellt er anschließend fest, der AfD sei eine “extemistische Orientierung” mit “noch niedrigem Intensitätsgrad” zu attestieren. Er skizziert jedoch im Anschluss – und hier zeigt Pfahl-Traughber, dass ein nicht nur politikwissenschaftlicher Analytiker, sondern vielmehr interessierter Teilnehmer der Debatte, ein Zoon Politicon ist– Perspektiven für AfD, zu einer “rechtsdemokratischen” Partei zu reifen. Dies bedürfe jedoch, so stellt er weiter luzide fest, tiefgreifender personeller Veränderungen. Und diese sind, so weiß er, unwahrscheinlich.

Die fundierte Auseinandersetzung Armin Pfahl-Traughbers mit der Alternative für Deutschland ist nicht nur für interessierte Fachkollegen und Studierende der Sozialwissenschaften, Mitarbeitende in politischen Parteien und Fraktionen, Gewerkschaftsfunktionären und Journalistinnen und Journalisten ein wichtiges Grundlagenwerk zur Auseinandersetzung mit der Oppositionspartei und besonders mit ihrem aktuellen Radikalisierungsprozess. Auch gemäßigten Mitgliedern sei dieses Buch ans Herz gelegt. Denn Kritiker der Eurorettungspolitik müssen sich – spätestens bei der Lektüre dieser politikwissenschaftlichen Untersuchung- klarmachen, dass die AfD in der Gründung die Umsetzung der Kritik am Kurs der Bundesregierung in Sachen Euro-Rettung gewesen sein mag, nun aber zunehmend zum Sammelbecken Rechter und auch Radikaler wird. Viele hochproblematische Aussagen namhafter Funktionäre sind erschreckend unwidersprochen geblieben, und so muss auch daran gezweifelt werden, ob die Basis der Partei noch viel damit zu tun hat, was sie in ihrer Gründungsphase einmal verfolgt hat. Es scheint, so konstatiert der Leser, als habe die politische Landschaft in Deutschland zwar ein Sprachrohr rechtspopulistischer, rechtsradikaler und teilweise rechtsextremistischer Positionen gewonnen, aber langfristig keine Partei, die sich ernsthaft für alternative Entwürfe der Europäischen Union interessiert und starkmacht.

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