Aktuell streiten wir in Deutschland über die Frage, ob mit der sogenannten Gasumlage, auch als Gaspreisumlage oder Gasbeschaffungsumlage, der Gesetzgeber Gas importierende Unternehmen finanziell stützen und die dafür notwendigen Kosten an die Verbraucherinnen und Verbraucher im Deutschland weitergeben soll. Viele Gasversorger haben bereits erste Preiserhöhungen an die Kund:innen weitergegeben, nun soll zum 1. Oktober noch die Gasumlage hinzukommen. Viele rechtliche Fragen sind noch offen. Fest steht: Sowohl die Befürworter der Gasumlage, als auch ihre Kritiker haben gewichtige Argumente vorzubringen.

Gasimporteure: Opfer der hybriden Kriegsstrategie Russlands?

Viele Importeure von Gas haben in Russland zu festen Preisen Gas eingekauft, das in den Jahren 2022, 2023 und 2024 geliefert werden sollte. Die Verträge werden von Seite Russlands nur teilweise erfüllt. Das ist Teil der hybriden Kriegsstrategie Russlands. Die Gas importierenden Firmen haben das Gas -ebenfalls zu Festpreisen- bereits weiterverkauft. Diese Importeure sind nun -an ihre Verträge gebunden- verpflichtet, Ersatz für die nicht gelieferten Erdgasmengen zu beschaffen. Weil Russland viel weniger Erdgas liefert als früher, ist die Beschaffung des Ersatz viel teurer als die Zahlung auf Grundlage des alten Preises, den der Gasimporteur von seinen Kunden erhält. Hier folgt das erste Argument der Befürworter: Würden die importierenden Firmen auf 100% der Ersatzbeschaffungskosten sitzenbleiben, müssten viele Unternehmen mit einem grundsätzlich funktionierenden Geschäftsmodell kurzfristig Insolvenz anmelden. Das würde für die Kunden bedeuten, gar nicht mehr beliefert zu werden. Denn welcher Unternehmer oder welches bestehendes Unternehmen sollte hier kurzfristig einspringen? Insolvenzen sind, so Befürworter weiter, nicht zuletzt daher zu vermeiden. Die Rechtsgrundlage scheint ebenfalls einfach: Die Verordnung nach § 26 des Energiesicherungsgesetzes über einen finanziellen Ausgleich durch eine saldierte Preisanpassung (Gaspreisanpassungsverordnung – GasPrAnpVGaspranpVO) ermöglicht es den betroffenen Erdgasinporteuren, ihre Ersatzbeschaffungskosten bei der für den Marktpreis verantwortlichen Gesellschaft Trading Hub Europe mbH (THE) zu melden. Diese ersetzt den Erdgasinporteuren dann 90% dieser Kosten. Dazu wird die Summe der Ersatzbeschaffungskosten wird durch alle in Deutschland ausgespeisten Kilowattstunde (kWh) Gas geteilt. Die auf jede kWh entfallende Summe ergibt dann die Umlage. Damit deckt die Umlage lediglich die Ersatzbeschaffungskosten, nicht die tatsächlichen Mehrkosten der Versorger. Die Berechnung und die Erhebung der Umlage übernimmt die THE, die etwa auch mit der EEG-Umlage betraut ist. Außerdem berechnet die THE berechnet den Versorgern auch die auf ihre Liefermengen entfallende Umlage. Diese geben die Umlage an ihre Kunden weiter. Denn auch die Versorger müssen erhebliche Mehrkosten tragen. Bereits 2021 wurde Erdgas an den Großhandelsmärkten teurer. Auch dieser Preisanstieg wird nun verzögert an die Verbraucher weitergegeben. Solche regulären Preiserhöhungen können Unternehmen nicht vollständig willkürlich vornehmen. In der Grundversorgung etwa können lediglich tatsächliche Mehrkosten weitergegeben werden. In Sonderkundenverträgen herrscht dagegen weitgehend Vertragsfreiheit, und das vergessen viele Befürworter dieser scheinbar einfachen Lösung. 

Spahn: „Handwerklich schlecht gemacht“ 

Unmittelbare Kritik kommt etwa von der Opposition: So bezeichnete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, in einem Interview mit der Welt die Gasumlage als „handwerklich schlecht gemacht“. Einige wichtige Aspekte würden weiterhin ungeklärt blieben, zudem seien sie „sozial ungerecht“. Dies falle insbesondere hinsichtlich der Mehrwehrwertsteuer auf: so kämen auf eine „durchschnittliche Familie“ noch ungefähr 100€ an auf die Umlage zu zahlenden Steuern zu. Spahn erwarte von einer „guten Regierungspolitik“, dass derartige Fragen bereits im Voraus geklärt würden, so der Unionspolitiker weiter. Möglicherweise könne eine Lösung sein, die Umlage um 19% zu senken, um diese durch die Steuer entstehende Mehrbelastung auszugleichen. Denn: Von Bürger:innen und Verbraucher:innen könne nicht erwartet werden, dass sie den Preis für „schlechtes Handwerk“ zahlen müssen – insbesondere angesichts der aktuell ohnehin finanziell schwierigen Situation. Ein weiteres Problem stelle außerdem die Tatsache dar, dass Bürger:innen mit kleinem und mittlerem Einkommen „gezielte Entlastung“ bräuchten. Zwar sei klar, dass für die durch den Wegfall des russischen Gases entstehenden Mehrkosten aufgekommen werden müsse, dennoch gebe es weiterhin viele ungeklärte Fragen, beispielsweise mit Blick auf die Fernwärme, Festverträge und die Mehrwertsteuer. Zynisch kommentiert Spahn: „Beim Belasten ist sich diese Regierung sehr schnell einig, nur beim Entlasten warten wir“. Dies zeige sich auch hinsichtlich der Frage nach möglichen Entlastungen für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen – es werde, so Spahn, „kein Konsens innerhalb der Ampel“ erreicht. Seiner Ansicht nach könnte jedoch ein möglicher Lösungsansatz ein fester Preis für den „Gasgrundbedarf“ sein: Haushalte sollten für ihren Grundbedarf nicht mehr zahlen müssen als bereits im vergangenen Jahr, für einen Mehrverbrauch sollte hingegen „deutlich mehr“ berechnet werden. Sollte der Grundbedarf nicht mehr für jeden bezahlbar sein, so stehe Deutschland „eine echte soziale Frage im Winter“ bevor. Auch für energieintensive Unternehmen solle es Spahns Ansicht nach Entlastungen geben, da sonst eine „schleichende De-Industrialisierung“ drohe. Daher müssten auch diese „gezielt unterstützt“ werden, beispielsweise über Preisgarantien.

EU-Wirtschaftskommissar: Handlungsalternativen

Konkrete Vorschläge zur Entlastung der Verbraucher:innen kommen indes von EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Dieser regte laut Medienberichten vom 17. August in einem Brief an Bundesfinanzminister Lindner an, statt der im gegenwärtigen rechtlichen Rahmen nicht zulässien Streichung der Mehrwertsteuer die geltende Mehrwertsteuer auf mindestens fünf Prozent zu reduzieren, oder schlicht die Umlage zu senken. Auch könnte die Bundesregierung die Abgabe im Nachhinein an die Verbraucher:innen zurückzahlen oder den Gaskonzernen zugute kommen zu lassen, so Gentiloni weiter. Bundeskanzler Scholz hat indes betont, man suche zusammen mit der EU-Kommission nach Wegen, um die Belastung der Verbraucher durch die Gasumlage auf ein Minimum zu reduzieren.

Joshua Tewalt

Joshua Tewalt

Philosophie // Wirtschaft // Kulturwissenschaft // Gesellschaft // Kunst & Architektur // Tech & Fortschritt // Bücherschau & Bücher der Saison

Autor